Ressourcen bei Trauma: Warum der Zugang schwer sein kann und wie wir ihn wiederfinden

„Ressourcen?! Was meinst du damit?“ Das entgegnete ich vor ein paar Jahren einer Bekannten, die mich fragte, was meine Ressourcen seien. Ich konnte damit zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts anfangen. Im Gegenteil: In mir regte sich ein großer Widerstand und ich fühlte mich fast angegriffen. Ressourcen – was sollte das sein? Als sie mir erklärte, das seien beispielsweise Dinge, die mir guttun, mit denen ich mich gerne beschäftige, stammelte ich ein paar Antworten. Lesen vielleicht. Zeit mit lieben Menschen und unserem Hund verbringen. Wandern gehen. Gleichzeitig breiteten sich Scham und ein heftiges Mangelgefühl in mir aus. Nein, Ressourcen hatte ich nicht. Zumindest nicht in großer Anzahl. Sollte ich aber offenbar haben. Denn meine Bekannte bohrte immer weiter und wollte mir noch mehr Ressourcen entlocken.

In einer Coachingsession machte ich eine ähnliche Erfahrung – wir beschäftigten uns intensiv mit den unterschiedlichen Arten von Ressourcen und ich konnte kaum welche nennen. Das machte mich nachdenklich. Ich schämte mich, fühlte mich traurig, überfordert und falsch, weil ich offensichtlich so wenige Ressourcen hatte. Obwohl es ja eigentlich etwas Schönes sein sollte.

Warum kann uns der Zugang zu Ressourcen so schwerfallen?

Wie mir später bewusst wurde, lag das unter anderem am Zustand meines Nervensystems. Es befand sich meist in einer Untererregung, einem abgeschnittenen, unverbundenen Zustand. Dann hatte ich keinerlei Ideen, was meine Ressourcen sein könnten. Ich war der Überzeugung, überhaupt keine zu haben und wollte am liebsten aufgeben. In übererregten Zuständen hatte ich wiederum Chaos im Kopf und verspürte großen Druck, sofort alle Fragen zu meinen Ressourcen perfekt beantworten zu müssen.

Durch Trauma gerät unser Nervensystem aus der Balance. In dysregulierten Zuständen versuchen wir, für Sicherheit zu sorgen, indem wir nach Gefahren Ausschau halten und sehr auf Negatives ausgerichtet sind. Das ist keine Schwäche, sondern ein ganz natürlicher Überlebensmechanismus. Unser System ist dann damit beschäftigt, uns zu schützen und hat schlicht keine Kapazität, Ressourcen und Schönes wahrzunehmen. Um aus dieser Negativschleife herauszukommen, brauchen wir jedoch genau das: Ressourcen.

Mein Weg zurück zu meinen Ressourcen

Mit der Frage nach meinen Ressourcen kam ich immer wieder auf unterschiedliche Arten in Kontakt, zum Beispiel im Rahmen eines Onlinekurses und während meiner Ausbildung in Neurosystemischer Integration®. Ich habe durch traumasensibles Coaching und körperorientierte Therapie gelernt, wie ich mein Nervensystem regulieren kann. Die erste große Ressource war dabei die sichere Beziehung zu meinen Begleiterinnen. Und je besser ich mich selbst, meine Zustände und inneren Anteile kennenlernte, desto mitfühlender konnte ich mir begegnen – auch wenn und gerade weil ich zunächst nur wenige Ressourcen zur Verfügung hatte. Im Laufe dieses Prozesses entwickelte ich Schritt für Schritt immer mehr Freude daran, mich mit ihnen zu beschäftigen und sie tatsächlich auch zu verkörpern.

Denn das war ein weiterer Knackpunkt: Ich hatte meine Ressourcen nie fühlen und im Körper spüren können. Und dementsprechend „wirkten“ sie nicht. Sie waren nicht präsent für mich, nicht abrufbar.

Inzwischen kommen immer wieder neue Ressourcen dazu und ich verkörpere sie mehr und mehr. Sie fühlen sich ganz unterschiedlich an. Mal kraftvoll. Mal kribbelnd. Mal ruhig. Meistens sind sie mit einer großen Weite im Körper verbunden. Auch wenn es vermeintlich kleine Dinge sind. Den Hund streicheln, einen Kuchen backen, mit der Lieblingsmusik auf den Ohren durch die Wohnung tanzen. Die Essenz von Ressourcen ist für mich, dass sie uns mit uns selbst verbinden.

Meine Lieblingsressource – eine Übung zum Ausprobieren

Eine meiner liebsten Ressourcen ist eine Übung aus dem achtsamen Selbstmitgefühl, die ich in sehr empfehlenswerten Kursen und Retreats bei Wiebke Pausch gelernt habe. Sie heißt „Mitfühlende Bewegung“ und stammt aus dem Buch „Selbstmitgefühl – Das Übungsbuch“ von Kristin Neff und Christopher Germer. Du kannst dir dafür so viel oder wenig Zeit nehmen, wie du zur Verfügung hast – ein paar Minuten sind völlig ausreichend.

  1. Fußsohlen spüren
    Spüre deine Fußsohlen am Boden. Wenn du magst, bewege dich dabei sanft hin und her oder mach kreisende Bewegungen mit deinen Knien. Versuche, mit der Aufmerksamkeit bei deinen Fußsohlen zu bleiben.
  2. Körper wahrnehmen
    Nimm nun deinen ganzen Körper wahr. Gehe ihn Schritt für Schritt durch. Vielleicht gibt es Bereiche, die sich angenehm anfühlen und Regionen, an denen du weniger angenehme Empfindungen spürst – so etwas wie Anspannung oder Druck.
  3. Mitfühlend auf den Körper eingehen
    Beginne dich nun zu bewegen. Die Einladung ist, von innen heraus, sozusagen von alleine, Bewegung entstehen zu lassen. Dem Körper die Bewegung zu geben, die er braucht. Oft entstehen solche Bewegungen an den Stellen, die sich eher unangenehm anfühlen. Und das können ganz ungewöhnliche Bewegungen sein. Was tut dir gut?
  4. Nachspüren
    Komm langsam wieder zur Ruhe und spüre nach. Was kannst du jetzt in deinem Körper wahrnehmen? Haben sich Empfindungen verändert? Lass dich dabei genauso sein, wie du gerade bist.

Einladung: Erkunde deine eigenen Ressourcen

Wenn du magst, kannst du im Alltag erkunden, welche kleinen Dinge dir guttun. Minimal kleine, vielleicht ganz „banale“ Dinge. Das könnte so etwas sein wie einen warmen Gewürztee trinken. Eine Duftkerze anzünden. Den Körper dehnen. Oder barfuß über Moos gehen. Sollte es dir schwerfallen, etwas zu finden, lade ich dich ein, auszuprobieren und neugierig zu forschen. Dabei kannst du dir folgende Fragen stellen:

  • Woran merkst du, dass dir etwas guttut?
  • Was kannst du sehen, hören, riechen, schmecken, auf der Haut spüren?
  • Was nimmst du in deinem Körper wahr?
  • Welche Gefühle und Gedanken sind damit verbunden?
  • Gibt es ein Foto, ein Bild oder einen Gegenstand, mit dem du diese Ressource verknüpfen kannst, sodass du immer wieder daran erinnert wirst?

Wenn du merkst, dass dir der Zugang schwerfällt, unterstütze ich dich sehr gerne in deinem Prozess, nach und nach deine Ressourcen zu finden und zu verkörpern. Du kannst hier einen Termin für ein Kennenlerngespräch mit mir vereinbaren.